Mit dem Druckmodel, einem Werkzeug für den Handdruck zur farbigen Bemusterung von Stoffen, weist ein vermeintlich unscheinbares Zeugnis auf ein wichtiges Gewerbe in Füssen und ein besonderes immaterielles Weltkulturerbe hin. Gemeint ist einerseits die Färberei, andererseits der Blaudruck.
Die Handhabung als Gebrauchsobjekt ist dem Druckmodel anzusehen. Unzählige Male wurde es auf Stoff aufgesetzt, um dort Abdrücke zu hinterlassen. Heute ist es kaum mehr vorstellbar, welch schöne und komplizierte Stoffmuster mit einem derart einfachen Werkzeug hergestellt werden konnten.
Das Model besteht aus einer unteren Platte, die sich aufgrund ihrer Fertigung aus Hartholz, auch dann nicht verzieht, wenn das Holz feucht wird. Die Oberfläche ist glattgeschliffen. Bei genauerem Hinsehen sind eingeritzte Hilfslinien zu erkennen. Sie dienten der Orientierung beim Einschlagen der Metallteile, um ein regelmäßiges Muster hervorzubringen.
Bei diesem Druckmodel wurden für das Muster gebogene Plättchen zu einer augenähnlichen Form gesetzt. In der ovalen Einfassung sitzt mittig wiederum ein oval mit spitzen Ecken geformtes Plättchen, entgegen der größeren Form ausgerichtet, je links und rechts daneben sitzen zwei dünne Stifte. Die äußeren Enden der augenähnlichen Form sind jeweils von einem Halbkreis aus dünnen Stiften eingefasst.
Ganz außen in den Ecken der Holzplatte sitzen drei Rapportpieken, also kleine spitze Stifte. Sie sollten auf dem Stoff keinen Abdruck hinterlassen, sondern dienten als Aufsetzhilfe, damit das Druckmodel hintereinander immer genau an der richtigen Stelle aufgedrückt werden konnte.
Auf die untere ist eine obere Platte aufgeleimt. Sie ist aus leichterem Holz und hat zwei Eingriffe. Die Größe des Druckmodels bemaß sich nach der Hand des Druckers. Er musste sie mit einer Hand greifen können.
Heute ist das Model nicht mehr benutzbar. Von den dünnen Stiften sind viele umgebogen. Ein gleichmäßiges Muster ließe sich damit nicht mehr erzeugen.
Wie alt ist das Model? Vermutlich stammt es aus dem 19. Jahrhundert. Damals war Blaudruck das führende Verfahren in der Herstellung gemusterter Stoffe.
Was ist ein Blaudruck?
Beim Blaudruck, einem negativen Druckverfahren, entstehen weiße Muster auf blauem Stoff. Zuerst wird weißer Stoff dort, wo das Muster entstehen soll, mit einem farbabweisenden Mittel imprägniert. Danach wird er blau gefärbt und getrocknet, abschließend wird das farbabweisende Mittel wieder entfernt.
Anfangs musste der „Papp“ angerührt werden. Das war eine wasserunlösliche Mischung aus Gummi Arabicum, Kaolin (Porzellan- oder auch Pfeifenerde), Fett und verschiedenen Chemikalien, oft nach erprobtem Geheimrezept des Färbers. Dabei wirkt Gummi Arabicum, der harzige Pflanzensaft von den in Afrika verbreiteten Akazienbäumen, als Verdickungsmittel, Kaolin wird der Mischung als weißes Pigment beigemischt. Der „Papp“ wurde auf ein Stempelkissen aufgetragen, das Model mit den Metallstiften auf das Stempelkissen gedrückt und gleich anschließend auf den Stoff. So entstand das Muster. Der bestempelte Stoff musste gründlich trocknen. Das dauerte mindestens eine Woche. Anschließend wurde er in ein kaltes Indigo-Färbebad getaucht, je öfter, desto dunkler wurde die Farbe. Schließlich konnte der „Papp“ mit Schwefel- oder Zitronensäure aus dem Stoff wieder herausgewaschen werden und das weiße Muster kam zum Vorschein.
Das Verfahren des Blaudrucks ist ein immaterielles Importgut: In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gelangte die Kenntnis über das Verfahren zusammen mit dem reinen Indigo aus indischem Blauholz nach Europa. Dieser Farbstoff ermöglichte die Kaltfärbung, nur damit blieb der „Papp“ im Färbebad stabil. Zuvor war in Deutschland zum Blaufärben Färberwaid benutzt worden, womit jedoch nur heiß gefärbt werden konnte.
Im 18. und 19. Jahrhundert waren Stoffe aus Blaudruck unter der städtischen und insbesondere auch unter der ländlichen Bevölkerung stark verbreitet. Es war eine relativ günstige Möglichkeit, sich mit ansprechenden, völlig verschiedenartig gemusterten Kleidungsstücken zu versorgen.
Während sich die Kleidung verbrauchte und nicht überliefert ist, blieben die Druckmodel erhalten. Sie sind Zeugnisse für das einst bedeutende Verfahren des Blaudrucks und die Kleidungskultur des 18. und 19. Jahrhunderts in und um Füssen.
Die Färberei Löckher
Wann das Druckmodel Eingang in die Sammlung des Museums der Stadt Füssen fand, ist nicht bekannt. Allerdings wird es gemäß dem Inventarbuch der Färberei Löckher zugeschrieben. Die Geschichte der Färberei Löckher in der Füssener Innenstadt, am Fuße des Hohen Schlosses in der Ritterstraße, ist mit dem Gebäude verbunden. Das Haus wurde 1557 ein erstes Mal erwähnt, unter dem Eigentümer Peter Schwarzenbach; mit Karl Lecker [sic] ist dann erstmals ein Färber in der Ritterstraße 25 erwähnt (vgl. Die Häuserchronik, Ritterstraße 25, Nachlass Schlagmann, NS 122, StdAF).
1921 gab die „Färberei und chem. Wäscherei Löckher“ die veränderte Schreibweise ihres Familien- und damit auch Geschäftsnamens in einer Anzeige bekannt, als Gründungsjahr des Geschäfts ist hier das Jahr 1698 angegeben.
Das Gebäude in der Ritterstraße 25 wird vom Landesamt für Denkmalpflege als „Nebengebäude der ehemaligen Färberei mit Flachsatteldach“ beschrieben; unter der Traufe befindet sich ein Trockengerüst (vgl. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Baudenkmäler, Stand 23. November 2023, S. 21). Auf einer Tuschezeichnung von Josef Neumann, entstanden um 1920, ist das Haus mit seinem Gerüst, an denen die gefärbten Tuchbahnen zum Trocknen aufgehängt wurden, ins Zentrum gerückt. Bis heute zeugt die Dachkonstruktion vom früheren Gewerbebetrieb.
Historisches Zeugnis eines Druckverfahrens – der Blaudruck als Kulturerbe
Im Museum der Stadt Füssen wurde das Druckmodel unter der Inventarnummer 180 aufgenommen. Es ist nur eines von vielen unterschiedlichen Druckmodeln aus der Färberei Löckher, die das Museum bewahrt. Diese Vielfalt zeigt uns die große Variationsbreite an Mustern aus dem Angebot der Färberei. Das Druckmodel verweist darüber hinaus auf die Färberei als ein altes Gewerbe in Füssen.
Blaudruck war in ganz Mitteleuropa sehr verbreitet. 2018 wurde der Blaudruck vom UNESCO-Komitee auf die „Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ aufgenommen, als gemeinsames Kulturgut von Deutschland, Österreich, der Slowakei, Tschechien und Ungarn.
Sammlung und Museum
Das breite Spektrum der Sammlung wird in der Ausstellung anhand von Einzelobjekten abgebildet. Sie werden zu Repräsentanten oder Leitobjekten der verschiedenen Konvolute und Zeiträume und weisen insgesamt auf die Vielfalt der Sammlung hin. Nicht nur die Objekte und Werke auf ihrem jeweiligen Forschungsstand, sondern auch Aspekte der Museumsarbeit werden aufgefächert: das Sammeln und Bewahren, das Präsentieren und Vermitteln.
Staunen und Wissen
Ein wichtiges Moment der Inszenierung ist das Staunen. Er steht in Verbindung mit der Naturforschung des 19. Jahrhunderts und lässt sich historisch zurückführen auf die sogenannte „Wunderkammer“, die die Zusammenkunft kostbarer und denkwürdiger Naturalien und Artefakte umfasste. In dieser Online-Serie soll das Staunen als erkenntnisfördernder Impuls reaktiviert werden.
Quellenangaben
[1] Johann Gottfried von Herder: Blumenlese aus morgenländischen Dichtern. Bd. 9, Hrsg. von Johann von Müller, Tübingen 1807 (Bd. 9 aus: Herders sämmtliche Werke. Zur schönen Literatur und Kunst. Hrsg. von Johann Georg Müller, Tübingen 1805-1820).
[2] Die weiß-blauen Rauten wurden mit der Gründung Bayerns zum Königreich im 19. Jahrhundert, als viele neue Landesteile hinzukamen, zum gesamtbayerischen Symbol.
[3] Vgl. zur Herstellung von Pergament u. a. Ahaspher von Brandt: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die historischen Hilfswissenschaften. Stuttgart/Berlin/Köln 1996, S. 68-69.
Autorinnen: Gabriele Wiesemann, Isabelle Schwarz
Mit herzlichem Dank an Tobias Ranker, Stadtarchiv Füssen.
Redaktion und Gesamtprojekt: Isabelle Schwarz
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Foto Titelbild: Simon Toplak
Museum der Stadt Füssen
Lechhalde 3, 87629 Füssen